Gelungene Premiere eines bemerkenswerten Schauspiels: "Draußen vor der Tür"



Beckmann, ein leidender Mensch, das hat der Schauspieler (Caspar Horn) sehr gut dargestellt und ist seiner Rolle beeindruckend treu geblieben
– die geschundene, leidende Kreatur, ein Kriegsheimkehrer, der immer wieder erneut „Draußen vor der Tür" steht.
Was sich ebenso überzeugend in dem heimkehrenden Zweiten zeigte, klasse Leistung auch dieses Schauspielers (Zacharias Quick), sein lautes Holzbein, das Schleifen auf dem Boden, die Krücken - all das verinnerlichte der Schauspieler
sehr für die ebenso außergewöhnliche Darstellung seiner Rolle.
Die junge Frau (Lina Potter), auch sie zeigte nachvollziehbar ihr Mitleid -nur hilft ihre Zugewandtheit in Zeiten wie diesen nicht.
Die Elbe, eine pfiffige Idee mit dem Rausschmiss aus dem „blauen Strom", und das Hamburgische sprach die Schaupielerin (Mia Gabriel) klasse. Denn die Elbe wirft Beckmann, den Ohne-Vornamen, nach seinem Selbstmordversuch kurzerhand wieder raus. Die drei „Rausschmeißerinnen“ (Hanin Lehmnann, Eva Damker,Tommy Tran), als fleißige Helfer/ Helferinnen hatten zwar nur einen kurzen Auftritt, den machten sie prima.
Die Eine (Hana Braynin) und Die Andere (Fenja Krauthakel), in ihrem gleichen Outfit mit den Spencern, zeigten hohe Bühnenpräsenz - wie aber auch alle Schauspielerinnen und Schauspieler.
Ja, man braucht nur ein glitzerndes Jackett und einen Zylinder, um einen Kabarettdirektor in seiner jovialen und selbstgerechten Art darzustellen, das wurde hier von dem Schauspieler (Toby Muthig) mit außergewöhnlichem Habitus gespielt.
Wenn man so lachen kann wie der Oberst, so egozentrisch, so menschenverhöhnend, wie Krieg ist und wie Borchert das ausdrückt, eine Traumrolle für einen Schauspieler, wie es der Schüler (Tim Eberle) auch verinnerlicht hat, bravo, Chapeau!
Feist und ungeduldig zeigten sich seine Familienmitglieder (Tuana Fincke, Johanna Fez, Tommy Tran), die drei am Abendbrottisch in ihrer Wohnzimmeridylle (mit Stehleuchte und Gemälde mit röhrenden Hirschen),
- und wie schnell sie sich doch ändern, wenn der „Oberst“ eine andere Marschroute vorgibt, die Deutschen und ihr Fähnchen im Wind, das Menschelnde, das kam beim Publikum ebenso eindrucksvoll an.
Auch Frau Kramer (Eva Damker), mit Kittelschürze und Lockenwicklern, die unschuldige Hausfrau, die es faustdick hinter den Ohren hat, naiv und lammfromm dargestellt, wie sie ihre Zimmerpflanze pflegt, kein Wässerchen trüben kann und doch dem Machtwerk der Verführbarkeit im Nationalsozialismus verfällt, auch das hat die Schülerin in der
emotionalen Abgestumpftheit sehr gekonnt dargestellt.
Gott (Robin Bock) und Tod (Jan Brimble), der eine alt und taugt nichts mehr, der andere fett und übersatt, auch diese beiden haben ihre Rolle passend verinnerlicht – wer trägt die Schuld, wer profitiert – das konnten die Schauspieler*innen sehr nachvollziehbar zeigen. Der Tod sitzt unter den Zuschauerenden, so steigt er auf die Bühne, gruselig.

Das Bühnenbild (Ruth Stein) überhaupt – ein Sehgenuss in seiner wohltuenden Kargheit, der Hintergrund in seinen vielen Grauschattierungen wirft den Schatten auf die Bühne, wirft den Schatten der sich immer wiederholenden Geschichte der Städteruinen, der Zerstörung, der Kälte auf das restliche Bühnenbild. Und klasse die Arbeit der beiden Beleuchterinnen und der Technik (Louisa Mölich, Liselotte Albert), sehr professionell und wohldosierte Effekte.

Birgit Baumann (Leiterin der AG) hat das Ensemble mit einem bemerkenswerten Schauspiel herausgefordert: kein Klimbim, keine Lacheffekte, die den Bauchnabel des Zuschauers kitzeln sollen. Das war euch als Gruppe bewusst und die Auseinandersetzung mit „dem Stoff“ (wie harmlos das bei dem Thema Krieg klingt) zeigte eine klasse Regiearbeit, das feine Schauen auf Gestiken, Ausdruck, Darstellerund Darstellerinnen - das war ein schönes Seh- und Hörerlebnis am
Freitagabend, danke allen Beteiligten!

Anette Jondral-Hagemann